Ich stehe neben dem Frühstücksbüffet und begrüsse meine Gäste morgens um 05.00 Uhr mit einem Lächeln. Etwas schlaftrunken essen die einen, die anderen unterhalten sich noch mit leiser Stimme, ein Feuer brennt und die Sterne sind über uns noch für einen kurzen Moment sichtbar. Ich nicke dankend nach oben. Ich weise meine Gäste freundlich aber doch bestimmt darauf hin, dass wir in ca. 10 Minuten den Treffpunkt vor der Landschaftskarte haben. Doch etwas angespannt, versuche ich meine Route auf der Karte zu finden, dann drehe ich mich um und erklären meine geplante Wegstrecke den Gästen. Das effektive Briefing vor dem Walk mache ich nach der Autofahrt. Wir fahren kurze Zeit später los und ich versuche unterwegs die richtigen Abzweigungen zu nehmen, bis unser Trainer Julien stopp sagt. Ich steige mit etwas zittrigen Knien aus dem Auto und versammle die Gäste um mich. Ich führe sie in meinen Plan der nächsten Stunden ein, weise nochmals darauf hin, wie wir uns verhalten und was zu beachten ist. Dieses Mal muss ich noch kein Gewehr mit mir tragen, dies können wir erst, wenn wir den ersten Teil der Schiessprüfung bestanden haben. Also laufe ich ganz vorne, direkt hinter mir Julien mit dem Gewehr und zwischen den Back-up Guide (ebenfalls mit Gewehr) befinden sich meine Gäste. An meiner Hose baumelt die Socke mit Asche. Diese «werfe» ich in die Luft und schaue, wo der Wind die Asche hinträgt. Ich wiederhole dieses Verfahren oft damit ich weiss, wenn der Wind wechselt und wir so unsere Laufrichtung anpassen müssen. Wir wollen nicht, dass der Wind in ein Gebüsch getragen wird, bei welchem wir nicht sehen, was dahinter ist. Wenn wir ein Tier sehen und dieses anschleichen, soll unser «Gestank» nicht gleich die ganze Tarnung verraten, wenn das Tier unseren Geruch mit dem Wind einatmet. Also schüttle ich vorzu die Socke und gehe weiter. Immer wieder muss ich die Richtung ändern, weil die Büsche nicht ideal sind, wir keine Deckung haben, der Wind sich ändert, der Schatten nicht genügend deckt, die offene Fläche keinen Sichtschutz bietet oder wir keinen Fluchtweg hätten. So muss ich in jeder Sekunde präsent sein, meinen Plan anpassen und auf die Umgebung, die Bodenbeschaffenheit (Löcher & Dornen), die Sonne, den Wind und die Deckung achten. Ausserdem wollen wir ja Tiere sehen und uns an diese anschleichen. Dabei sollte ich lächeln und meine Gäste ab und an über die Wunder der Natur informieren. Wichtig ist auch, dass die abgefragten Interessen der Gäste in den Walk eingebunden werden. Ausserdem ist die Pausenplanung wie auch die Einbindung der Gäste über meinen Plan (welcher aktuell immer ändert, dank der Windlage sowie meiner Unsicherheit) essentiell.
Ich merke, wie ich eigentlich überfordert bin und frage mich, was mache ich, wenn jetzt auch noch ein Büffel erscheint. Gott sei Dank, kam kein Büffel, Elefant oder Löwe zu Besuch. Dies hiess aber auch, dass ich die Gäste bei Laune halten muss und die Magie versprühen sollte. Ich versuchte die Interessen der Gäste, wie Blumen, Schmetterlinge, Bäume, Elefanten und Naturzusammenhänge in die nächsten Stunden aufzunehmen. Ich hatte jedoch Mühe, meine Gedanken und mein Wissen in Englisch auszuformulieren und so haderte ich – ich begann an mir zu zweifeln und konnte die Gruppe während der Pause nicht genügend kontrollieren, dass sie mir beim Vortragen meines Wissens auch alle zu hörten.
Ich machte ein paar Schritte weg von der Gruppe und schaute mir die Umgebung an, überlegte, wo wir welchen Weg gehen konnten und wo überhaupt unser Auto ist… ich hebe meinen Blick und sehe dunkle Wolken am Himmel. Oh nein, nicht auch noch Regen. Ich muss meinen Plan wieder anpassen. Also informiere ich meine Gruppe, dass wir nun doch die kürzere Variante gehen, damit wir nicht in ein Unwetter geraten und irgendwo im nirgendwo stehen. Wir machen uns auf den Weg zurück zum Auto. Die grauen, grossen, dunklen Wolken bringen einen starken Wind mit sich, was das Gehen in der richtigen Windrichtung ziemlich erschwerte. Wir kamen dazu noch an einer langen, dichten Buschreihe entlang und ich merkte, wie ich versuchte in diesem Durcheinander der Eindrücke meine Ruhe zurück zu erlangen. Das Unwetter kam nicht zu uns, sondern Sonnenstrahlen mischten sich nun dazu. In der Weite sind Regenschauen zu sehen und einen Regenbogen bildet sich in all dem Durcheinander. Ich schmunzle, wie diese Wetterlage doch all meine Gemütszustände abdeckt. Nach aussen lächle ich und führe Gäste durch den Busch, innerlich fühle ich ein Unwetter und Sturm von Gefühlen. Wir gehen also und gehen und gehen und ich frage mich, wann und wo unser Auto wiederauftaucht. Kurz bevor ich das Gefühl habe, keinen Busch wieder zu erkennen, sehe ich unseren Jeep von weiten. Plumps, macht der Stein, welcher mir vom Herzen fällt und ich drehe mich erleichtert zu meiner Gruppe um. Ich informiere nun lockerer über die Natur und bin wirklich froh, als ich wieder im Auto zurück ins Camp fahre.
Um das Feuer erhalte ich das Feedback, welches mehrheitlich positiv war für meinen ersten Bush-Walk. Ich weiss, dass ich noch viel zu lernen habe, dennoch ist die Basis vorhanden 😊 Ich danke der Gruppe und innerlich der Natur, dass wir noch keinem PDA (potentially dangerous animal) begegnet sind und ich noch mehr Zeit habe, mich einzufinden, bis mein nächster Walk in zwei Tagen ist.
Mein erster Walk kann ich wirklich mit einer Baboon Wedding vergleichen. Baboon Wedding nennen sie hier in Botswana das Wetter, welches sich uns heute präsentierte. Wolken, Regen, Sonnenschein, Regenbogen – alles in einem. Den Gästen gegenüber bin ich anscheinend selbstsicher, ruhig und in meinem Element aufgetreten. Innerlich muss ich jedoch zugegen, hatte ich eine Trilliarde Gedanken in jeder Sekunde und fühlte mich verletzlich und ziemlich gefordert. Ich bin dankbar für eine weitere tolle Erfahrung im Busch. Ich konnte heute viel über mich lernen, als Führungsperson, als Ansprechperson, als Safari Guide, als Mensch.
Auf meine erste Baboon Wedding in Botswana – mal schauen, wer als nächstes heiratet und was das für ein Fest wird.