"Elisabeth, Elisabeth", nehme ich schlaftrunken um mich war. Ich reagiere nicht gleich, fühle mich ja auch nicht angesprochen und drehe mich nochmals auf meinem Feldbett. Die erste Nacht habe ich hinter mir und es ist ein kühler Morgen, da es in der Nacht geregnet hatte. Davon hatte ich nicht viel mitbekommen. Die Rufe wiederholen sich und plötzlich tritt jemand an mein Zelt. "Ich heisse Isabelle", rufe ich nach draussen und realisiere in diesem Moment, dass sie wohl mich meinten. Am Vorabend hatte ich die Jungs informiert, dass ich wirklich tief schlafe und sie mich bitte rufen sollen, damit ich sicher aufstehe. Naja, gerufen haben sie - wen auch immer ;-) Doch in den nächsten Tagen erhalte ich noch so manchen neuen Namen... Ich suche meine Taschenlampe, leuchte den Boden ab und ziehe mich rasch an, kontrolliere meine Schuhe, ob ein Tier darin ist und schlüpfe aus meinem Zelt. Mit meinem Rucksack und der Taschenlampe bewaffnet mache ich mich Richtung Frühstück auf. Auf der kleinen Halbinsel geniesse ich meinen Pulverkaffee und das warme Goat-Meal. Jeder spricht über seine erste Nacht, dass Regen nicht normal sei für diesen Monat und dass dies Glück in Afrika bedeutet. Ich nehme diese guten Vorzeichen dankend an, geniesse die ersten Eindrücke am Morgen und schmunzle über unsere tolle Truppe. Nach einer halben Stunde springen wir fast schon in den Jeep und es kann losgehen - mein aller erster Game-Drive im Busch von Botswana - ich kann es immer noch nicht glauben. Mit einem riesen Lächeln im Gesicht und einem doch etwas bangen Gefühl im Magen verlassen wir unser Camp Kwapa. Nach gut 15 Minuten treffen wir bereits auf die ersten Elefanten und mein Herz bleibt schon das erste Mal stehen. Die Elefantenmutter setzt ihre Warnzeichen, sie schüttelt den Kopf, schlägt die Ohren gegen den Kopf und schwingt den Rüssel und beginnt immer schneller auf uns zu zukommen. Julien, der Guide, hatte schon beim Herantasten darauf geachtet, dass wir den Elefanten den Fluchtweg nicht abschneiden. Auch war der Abstand zu den Tieren eher gross, dennoch fühlten sie sich bedroht, da ein kleiner Elefant mit dabei war. Julien erhob sich aus seinem Sitz und begann etwas lauter auf das Tier einzusprechen und es wirkt tatsächlich. Bei einem Elefanten-Attacke muss man unbedingt stehen bleiben und mit starker Stimme auf das Tier einreden und es überzeugen, dass wir "stärker" sind. Der wichtigste Spruch "Whatever you do - don't run" ist schon das erste Mal bewiesen.
Ich merkte, dass ich die Luft angehalten hatte und die beiden Motswaner (Bezeichnung für Botswaner) neben mir, stupsten mich lachend an. Auf dieser heutigen Fahrt wird dies noch mehr als einmal vorkommen. Doch das wusste ich damals noch nicht, wieviel Glück uns der Regen tatsächlich gebracht hatte.
Wir sahen eine Vielzahl von Vögeln, bestaunten Nester, Aardvark Schlaflöcher, Termitten-Hügel und sahen Warzenschweine sowie viele Impalas. Ich notierte alles in meinem Notizbuch und merkte, dass sich ein mir vorher nicht bekannter Wissenshunger entwickelte. Als wir dann einen Schrei einer Hyane am hellichten Tag hörten, gab es kein Zurükhalten mehr. Wir fuhren etwas schneller in die Richtung, aus welcher wir die Rufe wahrgenommen hatten und parkierten unseren Jeep, um uns zu orientieren. "Hyaena", ruft plötzlich Julien und wir schauen gespannt in die gezeigte Richtung. Kaum haben wir noch uns wieder gesammelt, entdeckte Kandu Wildhunde - was für eine seltene Entdeckung. Wir fanden gleich ein ganzes Rudel mit Welpen, wie wir erfuhren, suchten die Guides den Bau der Welpen schon seit mehreren Wochen. Völlig überwältigt von so vielen einzigartigen Tieren machten wir uns zurück Richtung Camp auf. Die Stunde vor dem Mittagessen wird jeweils als Unterricht genutzt und wir werden in den Lernstoff eingewiesen. Nach einem weiteren herrlich, leckeren Essen hatten wir zwei Stunden Mittagspause. Ich konnte jedoch bei der Hitze nicht schlafen und nahm daher meine erste Busch-Dusche. Das hiess, erstmal den Eimer mit Wasser zum Zelt tragen, was für mich der schwierigste Akt war. Ungeschickt wie ich bin, verschüttete ich oftmals einen Teil des Wassers beim Gehen, sodass eine Wasserstrasse hinter mir ersichtlich wurde. Die Jungs lachten immer, wenn sie diese die nächsten Wochen sahen, denn dann wussten sie, Isa war wieder mal on tour ;-). Ich versuchte den Eimer mit einer Schnur hochzubinden, damit ich darunter stehen konnte. Leider sind meine Knotenkünste eher unterentwickelt und so entschloss ich mich mit einem Tasseninhalt nach dem anderen zu duschen. Frisch und munter ging ich zum Hauptzelt und find an, von Vogelgezwitscher umgeben, die Unterrichtsbücher zu studieren.
Um 14.00 Uhr trafen dann auch die anderen Schlafmützen ein und wir büffelten noch eine Stunde zusammen. Damit uns die Sonne nicht ganz verbrannte, immerhin hatte es fast 40 Grad, machten wir uns jeweils um 15.30 Uhr für den zweiten Game-Drive auf. Und dieser hatte es wieder einmal in sich. Kurz ausserhalb des Camps trafen wir erneut auf die gleiche Herde von Elefanten und erneut, waren sie über unsere Gesellschaft nicht erfreut. Wir zogen uns rasch zurück und bogen um eine Buschreihe, als etwas flaches, längliches auf der Strasse lag. Mittlerweile ist die Zeit schon wieder vergangangen und wir waren in der Abendämmerung unterwegs. Wir stoppten abrupt und langsam wurde uns allen klar, was da vor uns lag - ein Leopard. Sie lag geduckt, im kurzen Gras versteckend, am Boden und lauerte einer Horde Impalas (Gazellen) auf. Die Impalas wollten vor unserer Ankunft gerade die Sandstrasse überqueren und wären leichte Beute für den Leoparden gewesen, doch wir hatten sie gestört. Mit Faszination und ich auch mit etwas Angst, beobachteten wir die Szene. Keiner machte einen Laut oder bewegte sich, der Leopard schaute kurz zu uns und konzentrierte sich dann wieder auf seine Beute. Die Impalas bewegten sich langsam zu der Strasse hin und überquerten diese einzeln. Der Leopard robbte am Boden entlang in deren Richtung und blieb für die Impalas nicht sichtbar. Das ganze spielte sich ca. 5 Meter von uns entfernt ab. Die Anspannung in der Luft war förmlich spürbar. Der Leopard entscheid sich jedoch nicht anzugreifen, da die Distanz zu den Impalas etwas grösser wurde. Der Leopard drehte sich zu uns um, schaute uns mit einem wilden Blick an und zog von dannen. Langsam kam wieder Bewegung in unser Auto und Kandu stupste mich lächelnd erneut von der Seite her an. Ich war überwältigt, da ich die ganze Situation aufgrund meines fehlenden Wissens noch nicht richtig einschätzen konnte. Wir hatten zwar ein Impala-Leben gerettet, dafür aber einen hungernden Leoparden zurückgelassen. Als wir im Camp dann das Abendessen einnahmen und alle über die heutigen Ereignisse redeten, waren wir uns einig, Mutternatur hat uns heute viele Geschenk gemacht. Das sei das schöne hier im Busch, wir wissen nie was kommt. Ja, das Leben gibt uns war wir brauchen und nicht, was wir wollen.
Ich ging mit gemischten Gefühlen ins Bett, da ich alles noch nicht fassen konnte und mir überlegte, wie ich das morgen alles machen soll. Es ist mein erster Duty als Guide - am Morgen sitze ich auf dem Trackersitz - der Natur etwas mehr ausgeliefert als sonst, und am Nachmittag ist meine erste Fahrstunde fällig.
Irgendwie wird auch das gut gehen - das Glück war ja bis jetzt auf meiner Seite.